Klaus Modicks Roman Keyserlings Geheimnis ist ein Art Totalrekonstruktion eines Lebens anhand weniger Fragmente. Vergleichbar vielleicht mit den lebensnah gemalten Darstellungen von Sauriern, basierend auf wenig mehr als einige Knochenreste. Modick nimmt das dürre biographische Material, ergänzt es um mutmaßlich sehr frei als autobiographisch ausgelegte und zurechtgeformte Bruchstücke aus Keyserlings eigenen Werken und füllt das Ganze auf mit einer gehörigen Portion Kenntnis von Zeitgeist und Milieu sowie einer Messerspitze Phantasie. Was herauskommt, ist ein ruhig dahinfließender Roman über die Münchner Künstlerbohème zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es wirkt alles sehr fin-de-siècle-mäßig, obwohl es dafür natürlich eigentlich zu spät ist

Keyserling ist ein mittelprächtig erfolgreicher Schriftsteller in München. Er wird außer von einer penetrant-dezent immer nur indirekten Krankheit (Syphilis, natürlich) auch von einer geheimnisvollen Vergangenheit im Osten geplagt. Zusammen mit Künstlerkolleg*innen tritt er eine Reise zum Starnberger See an, aber irgendwie fühlt sich auch hier alles an wie in Thomas Manns Venedig. Unverhofft wohnt er dem Konzert einer reichlich abgetakelten Provinzdiva bei und hier erfüllt sich die bereits seit längerem in Rückblenden angebahnte Offenbarung seines Geheimnisses, das bei näherem Hinsehen gar nicht soo schlimm ist.

Keyserlings Geheimnis ist eine jener Geschichten, die man als Schüler nicht gerne zusammenfassen hätte wollen, weil schlicht kaum etwas passiert. Es ist aber alles in allem eine amüsante Erzählung, in der wir für knappe 240 Seiten in die morsche Endphase des deutschen Kaiserreichs eintauchen dürfen.