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TAS ist der vierte und letzte Band der Po-Ca-Hon-Tas Quadrologie, in der Klaus Theweleit den kulturgeschichtlichen und soziologischen Quellen, Wirkungen und Querverbindungen der mythologisierten Geschichte rund um die amerikanische native princess Pocahontas nachspürt. Wobei: Vierter Band stimmt zwar irgendwie, aber dann auch irgendwie nicht, denn die Erscheinungsreihenfolge der vier Bände ist konfus: 1 (1999) – 4 (1999) – 2 (2013) – 3 (2020). Eigentlich ist steht dieser Band also eher am Anfang seiner Betrachtung des Pocahontas-Komplexes, besonders wenn man bedenkt, dass der erste Band im Wesentlichen der Etablierung der historischen Fakten dient.

There are pretty strict conventions about how to write a report about a sailing adventure: First-person narrator, simple style and grammar, abundance of technical terms connected to sailing, long passages on navigation and charts and courses, laconic comments on the extraordinary and a relaxed off-handedness about the absolutely foolish and suicidal decisions taken by the superhero-sailor(s).

Nachdem der kleine Herr inzwischen durchaus flüssig selber lesen kann, sind Vorlesegeschichte und Erstlesebücher für das abendliche Vorlesen »durch«. Papa muss jetzt nicht mehr Bildgeschichten mit kleinen Textboxen vor»lesen«, auch Sachbücher mit hunderten Bröckchen kindgerecht heruntergebrochenen Infohäppchen liest der Herr jetzt selber. Vor dem Schlafengehen darf dafür gelesen werden, was ein bisschen anspruchsvoller ist und auch etwas längere Konzentrationsfäden sowohl voraussetzt als auch ermöglicht und fördert.

Harry Mulisch gilt heute als einer der ganz großen alten, weißen, Männer der niederländischen Literatur. Bei seinem Tod 2010 war er nicht nur literarischer Gottkönig, sondern auch Träger des Bundesverdienstkreuzes.

Sprache ist ein mächtiges Werkzeug. Von der naiven Vorstellung, ein*e Sender*in verpacke Bedeutung in Worte wie eine Amazon-Bestellung in Kartons, die dann zu dem*der Empfängerin transportiert und (hoffentlich unbeschädigt) ausgepackt werden, hat man sich schon lange verabschiedet. Sprache transportiert mehr als nur die intendierte Bedeutung, und am entfernten Ende der Kommunikation kommt eventuell etwas an, dass die Empfänger*in nicht bestellt und die Sprecher*in auch nicht verschickt hat.

Mit ganzem Titel und Unteritel heißt dieser dritte Band aus der vierteiligen Pocahontas-Reihe eigentlich »Warum Cortés wirklich siegte. Technologiegeschichte der eurasisch-amerikanischen Kolonialismen«. Es ist übrigens der zuletzt erschienene Band – bei seiner Verfassung lagen nicht nur Bände eins und zwei, sondern auch der Abschlussband 4 »You give me fever«. In gewisser

Weise ist dieses Buch die Bestätigung seiner eigenen Hauptthese. Für Theweleit besteht das Charakteristikum der westlichen Kulturen darin, Informationen und Fakten aller Art zu sequenzieren und zu segmentieren. Alles wird in kleinste Einzelteile zerlegt – gedanklich und auch ganz real –, um anschließend wieder neu, und in Serie zusammengefügt zu werden. Man kann auch sagen: Analyse und Anwendung auf weitere Sachverhalte. Nichts wird genommen wie es ist, alles wird als Steinbruch für neue Möglichkeiten verstanden.

Genau das ist auch Theweleits Zugang zu Kultur und Geschichte. Das eigentlich schon Bekannte bricht er in kleinste Einheiten auf, die er dann zu erstaunlichen neuen Gedankengebäuden rekombiniert. Einiges davon mag hochtrabend daherkommender Blödsinn sein, in Fußnoten zur Funktionsweise von Youtube (regelloses Rekombinieren oder nicht?) räumt er das sogar quasi selber ein. Aber es finden sich unter den neuen Gedanken eben auch Perlen, die wirklich originell und bedenkenswert sind. Und weitere Gedanken, die immerhin Anstoß zum Er-Denken von Originellem sind.

Im Gegensatz dazu hätten die südamerikanischen Kulturen, aber auch viele andere später vom Westen überrannten und kolonialisierten Kulturen sich einem ganzheitlichen Denken verschrieben. Die Sachen sind, wie sie sind, und alles ist mit allem verwoben und darf daher nicht getrennt werden. Der Mensch hat seinen Platz im Gewebe der Schöpfung, über den er sich nicht erheben soll. Das ist natürlich nicht die Einstellung, mit der man neue Welten erfindet, baut und erobert.

Alles in allem: Warum Cortés wirklich siegte, weiß ich immer noch nicht (es könnten auch Feuerwaffen, Krankheitserreger oder interne Differenzen unter den indigenen Völkern ausschlaggebend gewesen sein). Es interessiert mich eigentlich auch nicht, weil es weder meine Heimat noch meine Zeit betrifft. Aber dass ich mir Theweleits Gedanken hierzu trotzdem durchlese, sie zum Teil verwerfe, zum Teil auch gar nicht verstehe, aber sie zu einem kleinen Teil auch zum Anlass für eigene Überlegungen und Handlungen nehme – das ist wahrscheinlich das, was er für den westlichen Modus des Denkens hält. Und es klingt auch aus heutiger Sicht recht attraktiv und ist vermutlich tatsächlich nicht nur der Grund, warum westliche Kulturen den größten Teil des Globus gewaltsam unterwerfen konnten, sondern auch dafür, dass ein noch größerer Teil des Globus – inklusive gewaltsam unterworfener Kulturen – das im Grunde ganz ok findet.

Hans van den Broek is a Dutch banker who moved to New York because of his English wife Rachel. They have a little son, but after a few years, Rachels takes their son with her and moves back to her parents in London. Meanwhile, Hans makes the acquaintance of Chuck, a West Indian businessman and hobby Cricketer. Still some years later, Hans follows Rachel to London, their once-crumbling marriage is restored, but: Chuck has been found dead in New York, no suspects are named.

This is about what happens to the protagonists in O'Neill's novel Netherland. As said, it is mostly set in New York, more specifically: in the years leading up to and following the attacks of 9/11 and the subsequent war on terror. This is a lot of action, but it only serves as a backdrop against which Hans' own life remains suspiciously unchanged. The wild and insecure post-9/11 years are also compared to flashbacks to Hans' youth in calm and wealthy Den Haag.

While there is not much action or plot on a physical level, there is a lot of development going on in Hans' perception of himself and the world around him. We have a coming-of-age story of sorts. Hans is already an adult at tthe beginning of the narration, but he only truly grows up through his dealings with people outside his banking-and-law-bubble.

Neulich las ich (aber wo?) das vor allem das Classroommanagement von Seiteneinsteiger*innen schwer unterschätzt wird. Und ich denke, das könnte so stimmen. Natürlich geht es in der Schule vordergründig ums Lernen, aber das geschieht in einer Gemeinschaft. Ein gutes Klassenklima schafft die nötige akustische und auch geistige Ruhe, um überhaupt konzentriert arbeiten zu können. In einem guten Klassenklima kümmern sich Schüler*innen um das Lernen und nicht darum, den Anderen ständig eins auszuwischen. In einem guten Klassenklima unterstützen sich Schüler*innen gegenseitig, anstatt einander möglichst noch Steine in den Weg zu legen. Ein gutes Klassenklima hat übrigens auch viel mit Eltern zu tun – es gibt Klassen, in denen erst die Eltern die Kinder so richtig gegeneinader aufbringen.

Gute Zusammenarbeit hängt natürlich zu einem großen Teil an der Chemie - mit einigen gehts besser, mit anderen weniger. Es hängt auch viel daran, was Schüler*innen (übrigens auch Eltern und Lehrer*innen) an Erziehung, Höflichkeit und Toleranz mitbringen. All das kann Schule nur sehr eingeschränkt ändern. Umso wichtiger, sich auf die wenigen Aspekte zu konzentrieren, die man ändern kann: Wie setze ich Regeln und Rituale? Wie begründe ich sie und wie setze ich sie durch? Wie kommuniziere ich mit Eltern und Schüler*innen? Wie organisiere ich meinen Klassenraum? Ist es überhaupt mein Klassenraum? All diese Fragen spricht das mit knapp 100 Seiten recht schmale Bändchen von Herrn und Frau Brenner an. Die dort gegebenen Hinweise sind für sich genommen nicht weltbewegend – einiges ist zu abstrakt oder für das eigene Bundesland nicht gültig, anderes vielleicht überholt, die eine oder andere Sicht auch ideologisch verfärbt. Bessere und zuverlässige Informationen finden sich zuverlässig bei der Gewerkschaft oder auf den Webseiten des eigenen Schulministeriums. Was das Büchlein aber bringt: Eine Zusammenstellung von vielem, das zu bedenken sich lohnt. Und eine Sammlung von »Kopiervorlagen«, die man in der vorliegenden Form möglicherweise nicht kopieren, aber wenigstens als Inspirier-Vorlagen verwenden möchte.

Stunden aus Blei ist irgendwie auch ein Roman wie aus Blei. Da sind zunächst einmal satte 850 Seiten, die alle gelesen und verstanden werden wollen. Dann ist da eine Handlung, die eigentlich gar keine ist. Eine Schriftstellerin mit besonderem Interesse an China verwickelt sich in Auseinandersetzungen mit einer jungen Chinesin, die eigentlich für ihre Überwachung abgestellt ist. Mit Lektüretipps, u.a. zu Václav Havel bringt sie die Chinesin ins Grübeln. Das bekommt ihr allerdings nicht gut, sie verschwindet spurlos, und, sicher ist sicher, ihre Eltern verschwinden direkt mit.

Das Bleierne schlechthin ist aber die Sprache. Es tropft förmlich aus der Feder der Autorin. Sätze winden sich unendlich mühsam und schwer, Vieles will mehrfach gelesen werden, um überhaupt verstanden zu werden. Bleiern ist auch die Stimmung. Die Lage in China wird in düstersten Farben und Metaphern geschildert, der Umgang der Macht mit Dissident*innen wird schockierend offen zur Sprache gebracht – nicht ohne Grund hat sich die Autorin ein lebenslanges Einreiseverbot nach China gefangen. Tschechien, das Heimatland Denemarkovás, kommt aber kaum besser weg. Es wird gezeichnet als ein vollständig vereinnahmtes Anhängsel Chinas in Europa, als ein Hort korrupter Egoist*innen, seelenloser Goldgräber*innen ohne jede Sensibilität für geschichtliche Verantwortung.

Wenigstens teilweise wird die Geschichte aus der Perspektive zweier sehr altkluger Katzen erzählt (warum auch nicht?), aber es ist nicht immer ganz klar, wer jetzt was erzählt.

Der Roman transportiert eindeutig mehr Stimmung als Handlung. Und die Stimmung ist: schlecht. Schlecht, weil in China ein menschenverachtendes System an der Macht ist und weil der Westen (aber auch die chinesische Bevölkerung) nichts dagegen unternimmt. Weil, im Gegenteil, der Westen im Streben nach kurzfristigen Vorteilen sich selbst an China verkauft und das System so noch stärkt.

Trotz der fehlenden Handlung hat der Roman also eine klare Botschaft. Und die hat sich in der nur kurzen Zeit seit seines Erscheinens als zutreffend erwiesen. Insofern ist er ein echter Gewinn. Der Roman ist aber auch ein bleierner Brocken, den man sich hart erarbeiten muss.

DAS ist das Buch, das ich bereits als Jugendlicher gelesen habe, als ich eigentlich nach Gödel, Escher Bach von Douglas Hofstadter suchte. Der hier besprochene Band ist aber nicht Primärliteratur, sondern eine Sammlung von Texten, an denen Hofstadter und sein Co-Autor Dennett ihre Thesen verdeutlichen – sei es durch Übernahme von Thesen aus Dritttexten, sei es durch Abgrenzung und Wiederlegung. Jeder der abgedruckten Texte wird durch »Reflexionen« ergänzt, die ihn in das Denksystem Hofstadters einordnen.

Hofstadters These ist bekanntlich, dass Intelligenz eine Frage der »Verdrahtung«, also der »Software« im Gegensatz zur »Hardware« ist. Im Anschluss folgerte er bereits in den 1970er Jahren, dass künstliche Intelligenz auf herkömmlichen PCs umsetzbar sei, wenn die PCs und Programme nur hinreichend leistungsfähig und komplex seien. Für die 70er war das eine recht kühne und umstrittene These, aus heutiger Sicht spricht vieles dafür, dass er Recht hat. Heutige »künstliche Intelligenzen« laufen in der Tat auf ganz gewöhnlichen, wenn auch besonders leistungsstarken, PCs.

Streit gibt es allerdings über die Frage, was Intelligenz eigentlich ausmacht und wie man sie ggf. nachweisen könnte. Üblicherweise, und auch von Hofstadter, wird hierfür der Turing-Test herangezogen. Er beruht im Wesentlichen auf der Idee, dass Intelligenz dann vorliegt, wenn Menschen eine Maschine (bzw. ein Programm) nicht von anderen Menschen unterscheiden können. Es gibt allerdings in jüngster Zeit Zweifel, ob dies wirklich ein gültiger Nachweis echter Intelligenz und, implizit immer mitgedacht, echten Bewusstseins sein kann. Nach einem Streitfall bei Google wird die Fähigkeit, Menschen hinters Licht zu führen, eher nicht mehr als Nachweis von Intelligenz gewertet. Künstliche Intelligenzen arbeiten heute i.d.R. mit statistischen Methoden, die auf einem unüberschaubaren Korpus menschlicher Äußerungen beruhen. Diese Korpora lassen sich aus dem Internet mit Leichtigkeit erstellen. Eine hiermit arbeitende Intelligenz ist aber nicht wirklich kreativ. Sie schafft keine neuen Aussagen oder Texte, sondern selektiert und re-arrangiert nur nach veränderlichen Regeln das, was am wahrscheinlichsten von echten Menschen gesagt würde.

Wie aber ließe sich Intelligenz und Bewusstsein nachweisen? Das ist eine der zentralen Fragen, auf die natürlich auch die von Hofstadter/Dennett ausgewählten Texte letztlich keine Antwort, aber immerhin produktive Denkanstöße liefern können.

Anders als ich es in Erinnerung hatte, sind leider weder die Texte noch die »Reflexionen« leicht zu lesen. Sie sind im Gegenteil eher zäh und auch von sehr unterschiedlicher literarischer Qualität. Das Buch nach 35 Jahren noch einmal neu zu lesen, hat seinen Reiz. Aber jetzt erstmalig lesen oder kaufen würde ich es vermutlich nicht.