Margo, nach Israel ausgewandertes Kind der südafrikanischen Provinz, kehrt nach Winburg im Freistaat zurück, um ihrer schwer erkrankten Mutter beizustehen. Sie erlebt dort das neue Südafrika aus der Sicht weißer Farmer*innen, das bedeutet vor allem: plaasmoorde, also mörderische Angriffe auf die häufig sehr abgelegenen Farmen weißer Familien.

 

Die Rückkehr an die Orte ihrer Kindheit gerät – wie könnte es anders sein – zu einer Erinnerungsreise in ihre eigene Jugend, an die sich sodann ein Selbstfindungstrip auf der Suche nach Identität anschließt. Im Verlauf dieser introspektiven Reise schließt sie Bekanntschaft mir ihren Urahn*innen, denen im Burenkrieg Anfang des 20. Jahrhunderts übel mitgespielt wurden. Lange Passagen des Buches geben die natürlich fiktive Niederschrift der Familiengeschichte durch Margos Großmutter wieder. Eine weitere neue Bekanntschaft ist Hugo, ein Highschoollehrer mit einem Faible für die Geschichte der Bur*innen, speziell des Burenkrieges. Gegen Ende des Romans geht es Margos Mutter wieder besser und Margo beschließt, ihren israelischen Freund zu verlassen und zu Hugo nach Südafrika (zurück) zu ziehen.

Das Buch ist in vielerlei Hinsicht ärgerlich.

Natürlich ist es ok, vielleicht sogar nötig, die Ereignisse nach dem Ende der weißen Vorherrschaft in Südafrika aus einer burischen Binnensicht zu beleuchten. Und selbstverständlich darf man gerne auch auf den Burenkrieg eingehen. Die Art, wie das in Maartens' Buch geschieht, ist aber nicht ok. Die Verknüpfung dieser beiden Ereignisse (über Großmutters Niederschrift und Margos Erlebnisse) unter quasi vollständiger Auslassung all dessen, was dazwischen lag, zeichnet ein Bild der Bur*innen als ewig unschuldig Verfolgte und ist, auch weil es die Ursachen schwarzer Gewaltexzesse ausblendet, geschichtsklitternd.

Wenn die weiße Farmerfamilie sich selber auf die Schultern klopft, weil sie Farbigen ein einfaches Essen anbietet, dass sie draußen vor der Tür essen dürfen, oder wenn die (weiße) Nachbarin dem farbigen Hausmädchen rät, zu erwartende Alkohol- und Gewaltorgien beim anstehenden Begräbnis ihres Schwiegersohns nicht zuzulassen, ist das möglicherweise realistisch, aber man hat das ungute Gefühl, dass es die Autorin auch normal findet.

Wenn dem Hausmädchen zur weiteren Stärkung und Hilfe eine Bibellesung verpasst wird, ist das in meinen Augen Bibelmissbrauch, weil das Wort Gottes missbraucht wird, um tatsächliche Hilfe zu ersetzen. Maartens ist Autorin religiöser Bücher und mit einem Pfarrer der Apartheidskirche NGK verheiratet.

Auch ihre Ansichten zu guter Erziehung sind von vorgestern: Zweimal schildert sie in ihrem Buch eine Szene, in der ein Kind einen Vogel quält. Der Vater sieht das durchs Fenster, bestellt den Knaben ein und verpasst ihm eine ordentliche Tracht Prügel, weil man Tiere nicht quälen darf. Darauf der Sohn zum Vater »You are my hero!«

Das alles ist ärgerlich, in gewisser Weise aber auch instruktiv. Schauplätze, Berufe, Milieus, ...fast alles, was im Buch eine Rolle spielt, entspricht offenkundig (Wikipedia) dem privaten Umfeld und Erfahrungshorizont der Autorin. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch die dort zur Schau getragenen Ansichten ihre eigenen sind und als solche typisch für die weiße Landbevölkerung Südafrikas sind. Wie gesagt: Ärgerlich, weil man sich mit einer so bigotten, geschichtsklitternden und selbstgerechten Sicht auf den Scherbenhaufen, der das von 40 Jahren Apartheid verwüstete Südafrika heute ist, eigentlich nicht auseinandersetzen möchte. Instruktiv, weil man so erfährt, was man auf anderem Wege vielleicht nie erfahren hätte: Wie die ländlichen Bur*innen so ticken.

Ärgerlich ist das Buch aber auch aus einem ganz anderen Grund: Überall dort, wo der persönliche Erfahrungshorizont der Autorin überschritten wird (also außerhalb von Bloemfontein und Umgebung ab den 1950er Jahren), werden Charaktere und Sprache unstimmig. Der israelische Freund Margos soll lokale Farbe gewinnen durch eine (im Quellenverzeichnis stolz vemeldeten) jiddische Phrasensammlung aus dem Internet. Die Aufzeichnungen der Oma zu den in der Familie erzählten Schilderungen des Burenkriegs haben den Charakter eines Kinderbuchs, nicht einer Geschichte der eigenen Familie. Margo selber ist nicht nur ein widersprüchlicher, sondern ein offenbar zielloser Charakter. Sie weiß möglicherweise, was sie an Südafrika stört – aber auch angesichts der Entscheidung, aus Israel nach Südafrika zurückzukehren kommt ihr keine einzige erfreuliche Erinnerung an die Zeit in Israel in den Sinn. Außer ihrem israelischen Freund scheint es dort auch keine weiteren Charaktere gegeben zu haben, alle Schauplätze in Israel sind immer nur mit ihrem Freund verknüpft.

Am ärgerlichsten aber ist eigentlich etwas ganz anderes: Das Buch liest sich schlecht, weil es einfach schlecht geschrieben ist. Mein Afrikaans ist jetzt natürlich nicht perfekt, aber eigentlich gut genug, um einen Roman mit Genuss lesen zu können. Diesen Roman kann aber niemand mit Genuss lesen. Zu Beginn wird eine Unmenge an Charakteren präsentiert, die größtenteils zunächst völlig ohne Bedeutung und auch ohne inhaltliche Ausfüllung bleiben. Dann enfaltet sich sehr langsam eine Handlung, in der es eigentlich auch nicht so recht vorangeht. Es dauert bis über die Hälfte des Buches, bevor die Handlung etwas an Fahrt aufnimmt und die wichtigsten Charaktere wiedererkennbar werden. Dann steuert man aber auch schon in hohem Tempo auf ein völlig unglaubwürdiges Ende zu, dass noch einmal extra enttäuscht, weil schon der Anfang nicht überzeugen konnte.

Gekauft habe ich das Buch übrigens, weil es mir in einer Buchhandlung in Bloemfontein als zeitgenössische afrikaanse Literatur jenseits von Breytenbach und Brink auffiel. Breytenbach habe ich durch, ich werde wohl zu Brink zurückkehren.