Jan Assmann ist Ägyptologe und als solcher nicht unbedingt die erste Adresse für ein Buch über Moses. Gleichwohl gibt es naheliegende Berührungspunkte der Themengebiete: Der geschichtliche Moses (um mal einen christologischen Terminus auf ihn abzuwandeln) führte das Volk Israel aus Ägypten. Und vom historischen Moses nimmt man an, dass er dem Volk Israel den Monotheismus gebracht haben könnte. Moses wäre damit nicht nur der Begründer der ältesten heute noch existierenden Weltreligion, sondern der Begründer der ersten monotheistischen Religion weltweit überhaupt.

 

...weltweit überhaupt? Nein! Ein kleiner, heute fast vergessener Pharao, Herr Echnathon, hat die lustige ägyptische Vielgötterei für etwa zwei Generationen zu einer monotheistischen Religion reformiert. Seine Nachfolger haben diese Reform allerdings sofort wieder rückgangig gemacht und ihr Bestes gegeben, die kurze Episode des Monotheismus aus dem Gedächtnis Ägyptens und damit der Weltgeschichte zu löschen. Das gelang ihnen recht gut, aber dann doch wieder nicht gut genug. Schon im Mittelalter zählten Theologen eins und eins zusammen und spekulierten über die nicht nur geographische, sondern auch noch zeitliche Koinzidenz des pharaonischen und mosaischen Monotheismus. Hat Mose, der ja nach biblischer Tradition am ägyptischen Pharaonenhof erzogen wurde und jedenfalls Mitglied der ägyptischen Führungsschicht gewesen sein muss, den ägyptischen Monotheismus auf Israel übertragen? Ist er womöglich nicht mit dem biblischen Volk Israel, sondern mit den letzten ägyptischen Anhänger*innen des echnathonischen Experiments aus Ägypten ausgezogen? Oder hat sich vielleicht Echnathon von Moses inspirieren lassen?

Viele spannende Fragen, die Assmann ganz nebenher klärt. Was ihn nämlich in seinem Band Moses der Ägypter vorrangig interessiert, ist nicht Moses selber, sondern die Entwickung, die das wissenschaftliche Moses-Bild im Laufe der Jahrhunderrte genommen hat. Wer ist wann auf Basis welcher Quellen zu welchen Einsichten gelangt? Und welche späteren Wissenschaftler hat er beeinflusst? Und was hat Beethoven mit Freud zu tun?

Sehr spannende Literatur, aber schon auch ein sehr abseitiges Spezialthema. Muss man aus Interesse an einer spannenden Wissenschaftsgeschichte lesen, nicht aus der Bestrebung, (Theologie-) wissenschaftlich auf dem Stand der Zeit zu bleiben.