Pocahontas ist eine Disney-Prinzessin, die zunächst einem frühen englischen Kolinialherren zunächst das Leben rettete und anschließend einen anderen Kolonialherren heiratete. Sie begründete damit eine sehr kurze Phase friedlich Koexistenz, Kooperation und sogar Vermischung von indianischen und englischen Amerikaner*innen. Diese Phase war schnell wieder vorbei, das Ergebnis der sich anschließenden Konflikte ist allgemein bekannt. Allerdings ist auch die Geschichte der Pocahontas allgemein bekannt, weil sie einfach zu schön ist, um nicht ausgeschlachtet zu werden und wunderbares Material für einen multinationalen Gründungsmythos liefert.

 

Theweleit Hat im ersten Band seiner Pocahontas-Quadrologie (?) wirklich alles ausgegraben, was es zur Indianerprinzessin zu wissen gibt, und zwar, um seine Kernthese zu untermauern, dass koloniale Landnahme nicht ohne die Vereinnahmung der kolonisierten Frauen, also die biologische Landnahme gedacht werden kann.

Theweleit ist wunderbar belesen und »beschaut« (allein die Fülle Pocahontas-bezogener Abildungen im Buch ist schier atemberaubend). Er verknüpft dies und das und jense, um dann über das dies und das das unerwartete Pirouetten drehend wieder zur Ausgangsthese zurückzukommen. Seine Anmerkungen allein nehmen über 30 Seiten ein, es gibt wohl kaum etwas zum Thema (und sei es noch so lose und abseitig), das er nicht gelesen und eingeordnet hat. Dabei bedient er sich einer flotten, oft saloppen oder gar schnoddrigen Sprache, die einerseits Lust auf Weiterlesen macht, andererseits manchmal nicht präzise und zuweilen auch irreführend ist. Im Detail kann man sachliche Fehler finden, auch einige Darstellungen und Deutungen, die mindestens umstritten sind und als solche hätten markiert werden sollen. Trotz des umfangreichen Anmerkungsapparats ist das Buch eher die verschriftlichte Form eines launigen Vortrags bei viel gutem Wein als ein klassisches akademisches Schriftstück.

Alles, was Theweleit schreibt, kann man vermutlich auch im Internet nachschlagen. Theweleit zeigt aber, was man im Internet nicht findet: Die richtigen Fragen, die zu diesem Material hinführen. Und die Verbindung des auf den ersten Blick Unverbundenen. Ein schönes Buch, das den Wert gut gemachter Geisteswissenschaften eindrucksvoll dokumentiert. Und dabei auch noch wirklich angenehme Sofalektüre ist.